Das Glück der Erde….
… liegt auf dem Rücken der Pferde. So behauptete es das Sprichwort. Das mag für den Menschen zutreffen, zumindest für so manchen, jedoch nicht für das Pferd selbst. Denn gleichzeitig hört man immer wieder, dass Pferde nicht zum Reiten gemacht sind.
Zu diesem Blog komme ich aus eigener Neugierde. Ich habe viele Pferde verschiedener Rassen und mit sehr verschiedenem Körperbau unter den Händen. Je nach „Bauart“ kann ich oftmals schon vor der ersten Berührung oder dem ersten Gespräch mit dem Besitzer erkennen, wo die Probleme liegen. Und diese liegen oftmals daran, dass Pferde nicht zum Reiten gemacht sind – ursprünglich. Schließlich wurden die meisten Pferde für die Erleichterung der Feldarbeit oder als Zugtier eingesetzt und erst in den letzten Jahrhunderten für sportliche Ereignisse gezüchtet. Die Prägung des Knochenbaus der Pferde durch die davor liegenden 5000 Zuchtjahre lässt sich einfach nicht so schnell (gesund) verändern.
Folglich sehe ich viele Pferde, die keine Reit- sondern eher Zugpferde wären, die schwere Schultern und eine nach hinten austretende Hinterhand haben. Natürlich kann ich jedes Pferd zu einem Reitpferd trainieren, einem klassischen Kaltblut wird dies jedoch erheblich schwerer fallen als einem Hannoveraner.
Das Training zum Reitpferd findet immer im Rahmen der körperlichen Möglichkeiten des Pferdes statt. Die Anatomie der Hüfte eines Zugtieres* wird das untertreten der Hinterhand unter den Schwerpunkt niemals so zulassen, wie es bei den modernen Rassen inzwischen möglich ist.
Einen weiteren Gesichtspunkt möchte ich noch hinzufügen: Ich habe mich mit demKörperbau von Tieren beschäftigt, welche – wie das Pferd – lange Strecken grasend zurücklegen. Folgende Aspekte waren bei meiner Auswahl wichtig: Die Tiere legen weite Strecken mit dem Kopf am Boden zurück; sie verbringen die meiste Zeit am Tag mit grasen; die Hauptnahrung ist Gras, also am Boden wachsendes Grünzeug; Büsche und Bäume gehören nicht zum üblichen Nahrungsspektrum. Somit fallen z. Bsp. Esel oder Rotwild aus der Vergleichsgruppe.
Hier fiel mir nun auf, dass diese Tiere eine schwere Schulter, eine der Horizontalen angenäherte Hüftstellung und eine Hinterhand haben, welche nach hinten austritt. Zufall?
Wenn ich mir Jungpferde, alte Pferde oder untrainierte Weidepferde ansehe beobachte ich auch wieder diese Merkmale – unabhängig von der Rasse.
Kann es also sein, dass unsere Jahrtausende währende Pferdezucht die körperlichen Grundbedürfnisse des Pferdes nicht von Weidetier auf Reittier umzustellen vermochte?
Nun noch ein paar Überlegungen in die andere Richtung: Welche Voraussetzungen muss ein Pferd mitbringen, damit es ein Reittier ist?
Vom Kopf angefangen gibt es eine ganze Reihe an Punkten, welche als „Reitpferdepoints“bezeichnet werden. Ich werde hier nur die (aus physiotherapeutischer Sicht) wichtigsten drei aufzählen:
– Lange schräge Schulter und Oberarm
– Breiter, tendenziell lieber hoher (als tiefer) Halsansatz
– Lange Kruppe, die schräg abfällt
Mit diesen Voraussetzungen ist ein Pferd in der Lage von hinten gut unter den Schwerpunkt zu treten und in der Schulter leicht zu werden um das Gewicht vermehrt auf die Hinterhand zu setzen. Nur so kann es „sich tragen“, wie wir Menschen uns das vorstellen und nur so, kann es auch einen Menschen tragen ohne davon Schaden zu nehmen.
Aus all diesen Gedanken bin ich zu folgendem Schluss gekommen: Wir reiten die falschen Tiere.
Eigentlich wären Giraffen die idealen Reittiere…
*Hier gibt es zwei Typen: Eine der Horizontalen angenäherte Hüfte oder eine sehr steil gestellte Hüfte, beide mit eher offenen Hüft- und Kniegelenken. Beide Typen ermöglichen auf ihre Art und Weise eine gute Kraftübertragung schräg nach hinten auf den Boden, wobei die flacher gestellte Hüfte weniger Verschleißanfällig ist.