Seitwärts unterwegs - Schenkelweichen

Seitwärts unterwegs - Schenkelweichen

„Aber das ist doch gar kein Seitengang!!! Und außerdem ist das doch für Anfänger!!!“
Pah!! Gegen diese Vorurteile wehre ich mich heute und breche für das Schenkelweichen eine Lanze!

Also: Laut Definition ist ein „echter“ Seitengang eine Seitwärtsbewegung mit Biegung in Bewegungsrichtung. Somit ist das Schulterherein übrigens auch kein Seitengang. Darum ignoriere ich diese Definition heute und erkläre: Pferd bewegt sich seitwärts = Seitengang. Außerdem heißt diese Serie ja „Seitwärts unterwegs“ und das sind wir ja wohl auch beim Schenkelweichen.

Wie wird Schenkelweichen geritten / geführt? Worauf ist zu achten?Beim Schenkelweichen gibt es ein paar Regeln, die sich gar nicht so schwer anhören: Das Pferd ist gerade (also in Brust- und Lendenwirbelsäule nicht gebogen), es zeigt eine leichte Stellung entgegen der Bewegungsrichtung, Vor- und Hinterhand kreuzen in gleichem Maße.
Ausgeführt wird es wahlweise im 45°-Winkel entlang der Bande oder Viereck verkleinernd oder vergrößernd.

Umsetzung der Übung
Ich erkläre die Übung auf linker Hand, am Beispiel „Viereck vergrößern von der Mittellinie aus“. Wie Du am Pferd stehst habe ich in den Blogs zuvor schon erklärt, z. Bsp. Hier. (Link Schulterherein)
Nun geht es los: Ihr bewegt euch auf der ganzen Bahn, linker Hand. Bei A / C wendest du ab auf die Mittellinie. Nach ein paar Tritten geradeaus stellst du dein Pferd leicht nach links und

A, geführt:
wendest dich ihm mit deinem Oberkörper etwas zu. Deine Gerte legst du an die Stelle, an der dein verwahrender Schenkel wäre. Hier kannst du nun die kreuzende Fußung des inneren Hinterbeines verstärken, indem du im Moment des Abhufens dieses Beines einen Impuls gibst. Deine Gerte übernimmt die Arbeit, die geritten dein Schenkel machen würde. So kannst du nun mit deinem Oberkörper die Schulter, und mit deiner Gerte die Hinterhand vermehrt seitwärts „schieben“. Dadurch lässt sich das Verhältnis von „Vorwärtsbewegung“ zu „Seitwärtsbewegung“ regulieren.

Video: Zu Beginn ist Spirit ganz gerade ausgerichtet, dann sogar für ein paar Schritte mit der Hüfte etwas näher an der Bande als mit der Schulter. Spirit macht sich daher fest im Hals. Ab 0.12min richtet ihn Patricia mit der Schulter mehr zur Bande hin, Spirit entspannt sich sichtlich, schrittet schöner und schnaubt sofort ab. Nach ein paar perfekten Schritten wird es anstrengend, Spirit kompensiert ab o,16min vermehrt durch starke Biegung im Hals (was er, wie viele Pferde, sowieso immer gerne tut;) )

Foto: Im Moment des Abhufens des inneren Hinterbeine (hier linkes Hinterbein) gibt Patricia mit der Gerte die seitwärtstreibende Hilfe.

B, geritten:
gibst zur Initialisierung des Schenkelweichens etwas mehr Gewicht nach rechts. Der linke Schenkel liegt verwahrend und folgt der Pendelbewegung des Bauches. Wenn du diese Bewegung etwas verstärkst, sollte das im Idealfall ausreichen für die Seitwärtsbewegung. KEIN undynamisches Drücken – das bewirkt Gegendruck! Äußerer Zügel und Schenkel fangen Schulter oder Hinterhand ein, wenn diese ausfallen, inneres Knie und innerer Schenkel lassen Schulter und Hinterhand weichen. Dein Bauchnabel zeigt auf  ca. 11Uhr.

Video: Auch hier sieht man wieder, wie dynamisch diese Übung ist. Spirit ist hin und her gerissen zwischen Perfektionismus und "Hui, ist das anstrengend!". Durch die einrahmenden Zügel kann er diesmal nicht mit Hals und Schulter ausweichen. Achtet auf meinen Kommentar ;): Immer direkt nach dem ich "Sehr schön" sage, kann sich Spirit nochmals etwas mehr fallen lassen.

An dieser Stelle ein dickes fettes Dankeschön an Patricia Wegmann von Wolfsgeist.ch und ihren New Spirit, die sich hier so authentisch zeigen. Es braucht Mut, nicht nur die perfekten Momentaufnahmen öffentlich zu machen!

!Achtung!
Im Zweifel bitte das Schenkelweichen von der Mittellinie so durchführen, dass die Schulter einen Ticken näher an der Bande ist als die Hüfte. Wenn du sozusagen mit der Hüfte voraus zur Bande weichst machst du es deinem Pferd extrem schwer und vernichtest viele gymnastische Effekte!

Warum das Schenkelweichen so wichtig ist
Ich könnte jetzt aufführen, was sowieso überall zu lesen ist: Schenkelweichen dient dem Schenkelgehorsam des Pferdes, bringt ihm die seitwärtstreibenden Hilfen bei und führt es in die Seitengänge ein - deshalb wird in diesem Blog auch der gerittene Teil erklärt. Damit wäre das nun auch abgehakt.

Ich persönlich finde aber noch erwähnenswert, dass Pferd und Reiter beim Schenkelweichen lernen, Schulter und Becken aufeinander abzustimmen. Keines der Beiden Körperteile darf sich schneller als das andere seitwärts bewegen – das Zusammenspiel von seitwärtstreibenden, vorwärtstreibenden und begrenzenden Hilfen wird geschult und verfeinert.

Zudem kannst du Schenkelweichen geschickt in die Vorbereitung schwierigerer Lektionen einbauen. So kannst du es z. Bsp. nutzen, um deinem Pferd das Umstellen von einer Biegung in die andere zu vereinfachen. Hier muss dein Pferd nämlich auch die Gewichtverteilung auf den Beinen umstellen. Du kannst das Schenkelweichen also als „Zwischensequenz“ zwischen der einen und der anderen Biegung verwenden.

Aber warum ist es physiotherapeutisch wichtig?
Das Besondere am Schenkelweichen ist, dass bei geradem Körper Vor- und Hinterhand kreuzen. Somit müssen Becken und Schultergürtel die Seitwärtsbewegung ermöglichen, in dem sie sozusagen um die Wirbelsäule rotieren. Durch den Viertakt im Schritt und den Zweitakt im Trab sind diese Rotationen gegengleich, die Wirbelsäule wird also richtiggehend durchgeknetet. Dies lockert Rücken, Beckenboden, Bauchmuskulatur und Schulter. Wichtig ist hierbei aber, dass das Schenkelweichen sauber durchgeführt wird!

Und damit kommen wir zu einem weiteren Nutzen:
Das Schenkelweichen kann diagnostisch verwendet werden. Verspannungen und / oder fehlendes Gleichgewicht führen zu Passgang oder anderen Taktunreinheiten. In diesem Fall hilft es meist, von den 45° abzuweichen und einen flacheren Winkel zu wählen. Sind auch hier noch Probleme zu erkennen, sind diese meist tieferliegend.

Video oben: Die zu starke Abstellung führt zu Taktunreinheiten. Spirit fängt an das diagnale Beinpaar zeitgleich vorzuführen.

Video oben: Mit weniger Abstellung bleibt Spirit im Viertakt. Die vor allem zum Ende hin zu sehende Taktverschiebung weist darauf hin, dass die Übung zu lange durchgeführt wurde. Spirit hat noch nicht die Kraft, das Schenkelweichen so lange durchzuhalten. Zwischen 0,08min und 0,13min zeigt Spirit aber ein paar perfekte Tritte!

Jetzt bist Du wieder dran! Viel Spaß beim Üben und Einbauen!