Fühlig oder fühlend?

Fühlig oder fühlend?

Heute soll es endlich einmal wieder um das Thema Huf gehen. Und zwar um Eines, das viele Pferdebesitzer umtreibt: Diejenigen, die Barhufpferde reiten und diejenigen, die überlegen, den permanenten Hufschutz abzunehmen.

Gerade in meiner Region, mit den vielen grobschottrigen Wegen und wenig Grünstreifen, steht immer wieder die Sorge im Raum, dass das Pferd fühlig läuft. Aber ist das denn so? Oder ist es eher fühlend?

Zunächst ist die wichtigste Erkenntnis die, dass der Huf ein Tastorgan ist. Das Pferd soll fühlen, worauf es läuft – zum Beispiel ob der Untergrund rutschig ist oder scharfkantig, so dass bei einer höheren Geschwindigkeit (und somit Belastung), ernstzunehmende Schäden an Huf und Beinen entstehen könnten.

Was also ist normal?

Grundsätzlich normal und schlau ist, wenn Dein Pferd auf einen Grünstreifen wechselt, wenn einer zur Verfügung steht. Ein Frage an Dich: Läufst Du auf dem Kiesweg oder auf der Wiese zum Swimmingpool? Und wenn Du auf dem Kiesweg läufst, auch mit etwas mehr Hornhaut an den Füßen, wo läufst Du lockerer? Natürlich auf der Wiese. Das Ausweichen auf den Grünstreifen schont Muskeln, Sehnen und Gelenke und gerade ältere Pferde achten sehr darauf.

Normal kann auch sein, dass Dein Pferd die Stützbeinphase verkürzt, wenn es mit dem Huf auf einen einzelnen, auf dem Asphalt liegenden, Stein steht. Das entspricht dem Legostein im Kinderzimmer, auf den Du Barfuß draufstehst.

Normal ist auch das Meiden von sehr inhomogenen Böden mit sehr verschiedenen Steingrößen, bei denen kein Tritt wie der andere ist. Erstens schont auch das wieder die Strukturen der Beine und zweitens kann sich so das Fluchttier Pferd besser auf seine Umgebung konzentrieren.

Normal ist aber auch, dass ein Pferd mit gesunden Hufen, bei denen der Abrieb nicht höher ist als das Wachstum, mit der Zeit auf weniger „optimalen Böden“ immer konstanter läuft. Trotzem wird es nach wie vor den schonenden Grünstreifen bevorzugen. Und das ist schlau!

Was ist nicht normal?

Sobald konstant Schmerzen dazu kommen, musst du alarmiert sein. Beobachte Dein Pferd gut und lerne seine Schmerzgrenze kennen. Der Übergang von fühlend zu fühlig ist schleichend und sehr individuell.

Ein Boxenpferd, das den ganzen Tag auf weichem Stroh und Sand steht und auf dem Weg zur Weide bei jedem Steinchen zusammenzuckt kann das als denselben Schmerz empfinden, wie ein Pferd aus dem Paddocktrail, das im Trab schwungvoll auf einen größeren Stein steht.

Das bedeutet nicht, dass das Boxenpferd nun unbedingt einen Hufschutz benötigt! Das bedeutet nur, dass sein Tastorgan Huf, seine Lederhäute, seine Strukturen in den Beinen und seine Nervenreizschwelle nicht trainiert sind. Und das ist übrigens ein absolutes Warnsignal!

Hier ein kurzer Abstecher: Pferde, die nur wenige Reize von Ihrer Umwelt erfahren – also auch vom Boden – sind signifikant anfälliger für Erkrankungen des Bewegungsapparates, wie zB Sehnenschäden, Muskelzerrungen etc.. Typisch dafür wäre das Boxenpferd, das nur gerade, gut gepflegte Weiden, Reitplätze und Waldwege kennt. Sehnenschäden entstehen nicht durch einmaliges Reiten auf schlechtem Boden sondern durch häufiges Reiten auf „zu guten“, reizarmen Böden.

Nun aber zurück zum Schmerz: Wenn Du auf den Legostein trittst, bedeutet das nicht, dass Du fühlig bist, nur weil das jetzt wirklich weh getan hat. Davor und danach läufst Du schmerzfrei.

Wenn Dir aber schon die Reibung des Teppichs Schmerzen bereitet, dann darf man Dich als fühlig bezeichnen. So gibt es tatsächlich Pferde, die aufgrund einer ungesunden Hufsituation selbst auf dem besten Hallenboden fühlig sind. Sie sind in der Regel dann auf allen Böden auf allen vier Füßen lahm, was zugegeben nicht immer einfach zu erkennen ist.

Take Home Message für Dich

  • Der Huf ist ein Tastorgan
  • Fühlen heiß nicht automatisch Schmerz
  • Lerne Dein Pferd und seine Schmerzkommunikation kennen
  • Trainiere das Tastorgan Deines Pferdes, das schützt es vor ernsten Verletzungen

Hoffentlich konnte ich Dir hiermit einen kleinen Leitfaden an die Hand geben, mit dem du entspannter die Reaktionen Deines Pferdes auf verschiedenen Untergründen interpretieren kannst.
Und nun wünsche ich Dir viele schöne Barhuf-Momente mit deinem Liebling!