Seitwärts unterwegs – Vorbereitungen für Seitengänge, Teil 1

Seitwärts unterwegs – Vorbereitungen für Seitengänge, Teil 1

Wer sein Pferd schon einmal bei mir in Behandlung hatte, hat garantiert auch den ein oder anderen Seitengang als Hausaufgabe bekommen. In einer kleinen Reihe möchte ich die einfacheren Seitwärtsbewegungen erklären und zeigen, welchen Nutzen diese aus physiotherapeutischer Sicht haben.

Damit du zu Hause auch gleich durchstarten und die Übungen mit deinem Pferden erarbeiten kannst, beginne ich heute mit dem ersten Teil der „Vorbereitungen für Seitengänge“. Es empfiehlt sich, alle Übungen zunächst vom Boden aus zu machen.

Grundsätzlich ist es so, dass ich mich als Physiotherapeut bei Seitengängen nicht dafür interessiere, was das Pferd mit Hals und Kopf macht – ich konzentriere mich ganz auf Hufe und Hüfte. Mein Focus liegt darauf, wo welcher Huf hinfußt, wohin die Zehenspitze dabei zeigt und wie sich die Hüfte in der Übung bewegt. Die Erfahrung zeigt: Wenn das korrekt funktioniert machen Hals und Kopf automatisch das Richtige.
Die Schwierigkeit hierbei ist, dass wir Menschen extrem viel mit unseren Händen machen und es uns daher sehr schwer fällt, NICHT an Kopf und Hals des Pferdes herum zu ziehen und drücken. Also bekommst du erst einmal Übungen, bei denen du unter anderem genau das darfst 😉

Ein paar Worte zur Ausrüstung
Für die meisten Pferde sind die Übungen am einfachsten zu verstehen, wenn sie dabei einen gut sitzenden Kappzaum tragen. Die Longe wird dabei im mittleren Ring verschnallt. So hast du die Möglichkeit Einfluss auf die Blickrichtung und somit auf die Kopfhaltung deines Pferdes zu nehmen. Zur Not kann man auch mit einem Stallhalfter arbeiten, dies geht aber nur bei Pferden, die es akzeptieren am Kopf angefasst und gehalten zu werden. Außerdem ist dann der Strick keine Hilfe und darf nicht benutzt werden. Bei der Arbeit mit dem Stallhalfter kann dein Pferd viel einfacher mogeln und sich im Genick verwerfen, achte also darauf! Ein Knoti hingegen ist ungeeignet, die Druckpunkte sind zu spitz. Auch ein Zaumzeug ist ungeeignet: Solltest du in die Trensenringe greifen wollen würdest du deinem Pferd nur das Gebiss durchs Maul ziehen und ihm das ganze sehr unangenehm machen.

Was ist die „bessere Seite“ meines Pferdes?
Tatsächlich ist das eine Frage, welche wohl nie eindeutig beantwortet werden kann. Hier definiere ich die Seite als die Bessere, auf der deinem Pferd und dir die Übung einfacher fällt. „Die bessere Seite“ ist also etwas, das nicht festgeschrieben ist, von Übung zu Übung variieren und sich auch im Laufe des Lernprozesses immer wieder ändern kann. Hab also keine Hemmungen die Hand zu wechseln, wenn etwas einfach so gar nicht klappen will.

Jetzt geht es los! Stellung im Stehen
Vielen Reitern ist der Unterschied zwischen Stellung und Biegung nicht genau bekannt. Darum zunächst hierzu eine Erklärung:
Bei der Stellung bewegt das Pferd ausschließlich das Gelenk zwischen erstem Halswirbel und Hinterhaupt, das Articulatio atlantooccipitalis. Dieses Gelenk besteht eigentlich aus zwei Gelenken, die vor allem das Nicken, also „Ja-Sagen“ ermöglichen. Die Gelenkpfannen sind aber so ausgelegt, dass auch eine kleine (!) Bewegung zur Seite möglich ist, die Stellung. Wie groß diese Bewegung ist, ist sehr individuell. Betrachte ich das Pferd von der Seite wenn es in Stellung geht, so bewegen sich Ganasche (Bild unten,grün) und der Seitenflügel des ersten Halswirbels (Bild unten, rot) aufeinander zu, während die Ohren auf gleicher Höhe bleiben und der Rest der Halses seine Haltung beibehält. Von Vorne sieht es aus, als würde der Kopf des Pferdes um eine Achse rotieren, die längs durch den Schädel verläuft: das Gesicht wendet sich z. Bsp. nach links, während der Unterkiefer nach rechts wandert.

Bild unten: Von Vorne sieht man, wie die Ganasche nach Außen kommt, während sich der Nasenrücken nach innen stellt. Spirit ist hier zusätzlich in leichter Biegung, wodurch die Bewegung sehr groß aussieht. Die Stellung selbst ist aber nur ein kleiner Teil davon.

Umsetzung der Übung
Die Übung wird auf linker Hand erklärt. Bitte immer beide Seiten erarbeiten.
Stell dein Pferd an die Bande, es soll alle Beine unter sich haben und sollte vorne geschlossen stehen. Das Pferd schaut nach vorne, der Hals ist gerade.
Bild unten: Du stehst neben dem Kopf deines Pferdes und umgreifst mit der linken Hand den Nasenrücken oder den mittleren Ring des Kappzaums.  Die Rechte legst du an die untere Ganasche oder um den Unterkiefer (hier musst du ausprobieren, was dein Pferd besser versteht und akzeptiert). Nun führst du den Kopf in Stellung, indem du durch leichten Zug am Nasenrücken und leichten Druck an Ganasche oder Unterkiefer die Bewegungsrichtung vorgibst. Sobald dein Pferd die gewünschte Bewegung auch nur im Ansatz durchführt, solltest du es sofort loben und aus der Übung entlassen. Nach ein paar Schritten geradeaus die Übung wiederholen.

Wichtig!!! Viele Pferde reagieren auf konstanten Druck mit Gegendruck. Wenn du nach sehr kurzen Intervallen (z. Bsp. 2 Sekunden) den Druck kurz nachgibst, wird dein Pferd vermutlich besser mitmachen.

Warum machen wir diese Übung?
Das Gelenk zwischen Hinterhaupt und erstem Halswirbel ist zentral dafür, dass eine korrekte Biegung durch Hals und Pferdekörper überhaupt möglich ist – und diese benötigen wir bei den Seitengängen. Mach den Selbstversuch: Kippe deinen Kopf „in Stellung“ nach links (dein Scheitel geht also nach links und dein Kinn nach rechts) und versuche dann dich nach rechts zu biegen. Was macht deine Halswirbelsäule?
Bei praktisch allen Pferden funktioniert die Stellung in eine Richtung besser als in die andere. Indem du die Stellung immer wieder auch separat übst, bekommt dein Pferd ein besseres Gefühl dafür und kann die Übung effektiv immer genauer ausführen. So vermeidest du, dass dein Pferd sich durch die Stellung schummelt.

Fotos: Auf den Fotos siehst du Patricia Wegmann von www.wolfsgeist.ch, die für mich mit ihrem wunderbaren New Spirit gemodelt hat. Spirit trägt einen Kappzaum von Barefoot, welchen du z. Bsp. HIER erwerben kannst.